Visuelle Kultur

EMOTION PICTURES

Gehörlosen Medienwerkstatt Basel
Gehörlose als Filmemacher

In der Gehörlosen-Medienwerkstatt an der Florastrasse 11 sind sieben Profis am Werk. «Emotion Pictures»  ist europaweit der erste Studiobetrieb, der voll in der Eigenverantwortung von Hörbehinderten selbst funktioniert. Mehrere fernsehgerechte Produktionen liegen bereits vor.

Eine Videokassette mit Tanztheater wurde sogar ohne externen Tonmeister von den Filmemachern ohne Gehör im Studio auf U-matic-Broadcast-Standard produziert! Ein  Auf­tragsfilm für Sandoz Information ist dem Umstand zu verdanken, dass zwei der  sieben «Emotion Picturcs»-Ma­cher Sandoz-Mitarbeiter sind; sie wur­ den von der Firma freigestellt. Im übri­gen opfert das Team Freizeit und Wochenenden, legt Nachtschichten ein; die Filmer haben auch noch Familie. Auf den 25. September hin, den nationalen Tag der Gehörlosen, muss  ein Beitrag fertiggestellt werden: «Des yeux pour entendre».

«Emotion Pictures» geht auf eine gemeinsame Initiative der PTT, der Beratungsstelle für Gehörlose und der Projektkornmission der «Kommunikations-Modell-Gemeinde» (KMG) Ba­sel zurück, in der die Anwendung des Bildtelefons für gehörlose und schwer­ hörige Menschen ausprobiert wurde. Aus vierzehn Interessierten kristalli­sierte sich nach einem «Schnupperprogramm»  die jetzige, Kerngruppe von vier Frauen und drei Männern aus drei Kantonen heraus. Marlene Hermann, Geschäftsführerin: «Videotex  war nicht das, was wir wünschten. heisst es seit Anfang August.» Der erste Name des Produktionsteams sagte es schon deutlich: «Bivifi Exa», das heisst: Bild, Telefon, Video, Film, Experiment und Abenteuer . . .

1991/1992 wurde das Broadcast­ Studio auf U-matic-Highband aufgebaut, in welchem  heute die siebenköpfige Crew von Gehörlosen für die Belange von  Gehörlosen und Hörbehinderten arbeitet. «Helfen, wo es geht, sehen, wie es läuft, Ideen entwickeln», nennt Marlene  Hermann ihre Funktion in deutlich formulierter Lautsprache, obwohl sie selber sie nicht hört.

«Wir wollen versuchen, zusammen mit anderen Hörbehinderten unsere Probleme zu zeigen. Denn manchmal verstehen uns Hörende nicht», sprachwit­elt sie lachend.

Heidi Hirschi ist im Team künstlerisch tätig; sie wird den Beitrag «Des yeux pour entendre» zum Tag der Ge­ hörlosen präsentieren. Toni Koller – auch Präsentator bei «Sehen statt Hören» im Schweizer Fernsehen DRS – macht im Produktionsteam als Kame­ramann und Interviewer mit. Martin Steinmann hat mit ihm zusammen den Film für Sandoz Information geschaffen.

Im Herbst 1991 wurde  ein Vor­kurs in audiovisueller Gestaltung be­gonnen, es gab  Übungsproduktionen für die Hörbehinderten-Videothek des «KMG»-Bildtelefons. Die erste Fern­ sehproduktion für die DRS-Reihe «Sehen statt Hören» wurde erarbeitet. Interne Schulung in Gruppen- und Einzelarbeit wurde eingerichtet, die ersten professionalisierenden Kurse und Workshops durchgeführt. 1992 wurd die Gehörlosen-Medienwerkstatt an einem  Stand der Muba bekannt gemacht. Im letzten Dezember ist der Versuch der «Kommunikations-Modell-Gemeinde» (KMG) Basel mit einer halbstündigen DRS-Sendung über das Projekt abgeschlossen und eine Stiftung gegründet wurden unter der Bezeichnung «CODE». Im ersten Halbjahr ’93 wurden Fachkurse zur Spezialisierung in Kamera, Licht, Ton, Schnitt, Drehbuch und Produktionstechnik mit externen Kräften veranstaltet, es gab neue Eigenproduktionen zur öffentlichen Nutzung, in Zusam­ menarbeit mit den PTT und der Sandoz AG. – die «Emotion Pictu­es»-Teammitglieder Koller und Steinmann sind nun doppelt qualifizierte Berufsleute: Laboranten und Mediengestalter, die an ihrem Arbeitsplatz in der chemischen Industrie firmeninterne Videopräsentationen konzipieren und in der Gehörlosen-Medienwerkstatt produzieren können. 1994 soll ganz im Zeichen von Eigenproduk­tionen stehen.

Torsten Seiht von der «Emotion Pictures» tragenden Stiftung CODE erklärt das Ziel der Videoproduktion von Gehörlosen für Gehörlose und Hörbehinderte so: Informationen «direkt» vermitteln, «wie im Stumm­film». Filmmaterial produzieren, das auch ganz ohne Untertitel auskommt. Denn solche machen es schwer, dem Bild zu folgen, wenn man sie auch noch lesen muss.

Die Radiojournalistin Anne Käthi Zweidler, Koordinatorin von «Emo­tion Pictures»: «Gehörlose und Hörbe­hinderte – in der Schweiz allein sind es fast eine halbe Million – haben das gleiche Recht auf Information, auf Kultur wie die andern. Sie haben den Hörenden sogar viel voraus: Die Gebärdensprache ist räumlich, mit ihr ist ein räumliches, ein synchrones Denken und Ausdrücken möglich. Mit unserer Laulsprache nur ein lineares, von Wort. zu Wort.»